Interview mit Anne Eisank und Fernanda de Haro vom Interkulturellen Mädchen- und Frauentreff

Die Rechtsanwältin Fernanda de Haro und die Sozialarbeiterin Anne Eisank sind im Interkulturellen Mädchen- und Frauentreff in der Auguste-Viktoria-Allee tätig. Die Freizeit- und Bildungseinrichtung der Albatros gGmbH wird von Mädchen ab dem Grundschulalter und Frauen aller Kulturen und Nationalitäten besucht.

Frau Eisank, Frau de Haro, in den letzten beiden Monaten haben Sie Ihre Angebote wie alle Einrichtungen in der aktuellen Corona-Krise in den digitalen Raum verlegt. Wie wurde das angenommen?
Anne Eisank: Wenn die Mädchen Zugang zu Internet und Endgeräte hatten, mit denen sie unser Angebot nutzen konnten, haben sie darauf zugegriffen und das Angebot gut angenommen. Wir wussten, dass nicht alle Mädchen Zugang zu unserer Homepage haben. Deshalb haben wir uns entschieden auch andere Wege zu finden, mit den Mädchen in Kontakt zu bleiben. Wir haben telefonisch mit ihnen Kontakt aufgenommen, um zu fragen, wie es ihnen geht. Der telefonische Austausch war sehr wichtig und wird auch weiterhin bestehen. Die Mädchen wissen, dass wir für sie erreichbar sind. Auch auf postalischem Weg haben wir Kontakt gehalten und Rätsel, Malvorlagen, etc. an die Mädchen geschickt, weil manche keinen Zugang zum Internet haben. Mit Unterstützung von Endgeräten des Bezirksamts versuchen wir, dem zu begegnen. Die Laptops können gratis zur Ausleihe im Mädchen- und Frauentreff abgeholt werden.
Fernanda de Haro: Für die Frauen haben wir wichtige Adressen und Telefonnummern sowie mehrsprachige Informationen über das Coronavirus, über finanzielle Unterstützungen, über Jobcenter u.a. auf die Homepage gestellt. Ich habe viele Klientinnen angerufen und soziale Beratung per Email oder Telefon angeboten. Wenn die Frauen Sorgen hatten oder extrem belastet waren, wenn sie konkrete Anliegen zu Jobcenterthemen, Schule oder Kurzarbeitergeld hatten, haben sie mich angerufen oder eine Email mit ihren Unterlagen geschickt. Wir haben auch zusammen mit dem Familienzentrum eine Telefonkette organisiert, um Familien im Kiez unterstützen, die nicht mehr von der „Berliner Tafel“ Lebensmittel erhalten haben.


team interkultureller maedchen frauentreff
Das Team des Interkulturellen Mädchen- und Frauentreffs (v.l.n.r.): Sandra Vollus, Fernanda de Haro,
Ronja Ising, Ina Panjawin, Lena Hellwig, Anne Eisank, Nejra Glamoc



Welche Themen haben die Frauen am meisten beschäftigt?
de Haro: Es ging um Existenzängste. Viele Frauen haben einen Minijob oder sind selbstständig und haben deswegen finanzielle Sorgen. Sie brauchen Unterstützung bei der Beantragung des „Corona-Zuschusses“ oder mussten beispielsweise ALG I oder ALG II beantragen. Die alleinerziehenden Frauen sind noch schwerer davon betroffen und besonders überfordert mit der gesamten Situation. Aber auch die psychische Belastung war für die meisten ein ganz großes Thema, Fragen wie: Was ist mit der Schule? Wie gestaltet man eine Routine für die Kinder und einen selbst? Es war für viele Frauen sehr hilfreich, über ihre Sorgen zu sprechen. Manche Frauen haben Familien in anderen Ländern. Diese ungewisse Situation ist auch mit Ängsten verbunden.
Eisank: Über den Telefonkontakt mit den Mädchen haben wir vom Mädchentreff auch mit ihren Eltern gesprochen und konnten Themen an Frau de Haro weiterleiten, so dass sie Unterstützung leisten konnte.

Hatten Sie in den letzten zwei Corona-Monaten auch Kontakt zu den Mädchen aus den Geflüchteten-Einrichtungen?
Einsank: Ja, wir waren während der ganzen Corona-Zeit im Austausch, sowohl mit den Sozialarbeiterinnen von der Fluchtunterkunft auf dem Gelände der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik als auch teilweise mit den Mädchen. Wir haben unsere Angebote an sie weitergeleitet, auch die Schularbeitshilfe war immer über Videochat möglich. Das war sehr wichtig, dass die ganze Zeit der Kontakt besteht und ein guter Austausch möglich bleibt.

Wissen Sie etwas darüber, wie die Familien in den Geflüchteten-Unterkünften mit der Situation zurechtgekommen sind?
Eisank: Wir arbeiten in den Unterkünften vorrangig mit den Mädchen. Für soziale Beratung gibt es Sozialarbeiterinnen vor Ort. Wir wissen, dass die Container der Tempohomes sehr klein sind und es sehr belastend für Mütter mit vielen Kindern ist, weil es keine Rückzugsorte für die Familienmitglieder und keine Privatsphäre gibt. Das macht die Situation sehr herausfordernd. Hinzu kommt, dass es auf dem Gelände einen schlechten Internetzugang gibt. Die Familien können oft nicht auf unsere vielfältigen Angebote für die Mädchen zugreifen.

Seit dem 11. Mai dürfen die Einrichtungen schrittweise wieder öffnen. Wie funktioniert das im Interkulturellen Mädchen- und Frauentreff?
Eisank: Wir haben mit der Starke-Mädchen-Gruppe begonnen, sie war bereits vor der Corona-Zeit eine fixe Gruppe. Inzwischen sind auch die neuen Angebote für alle offen. Dabei achten wir natürlich auf die Einhaltung aller Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln. Die Mädchenarbeit wird sich so gestalten, dass wir Gruppenangebote für maximal vier bis fünf Mädchen je Gruppe machen, die von unseren Mitarbeiterinnen und Honorarkräften begleitet werden. Die Mädchen können sich für Gruppen anmelden und haben jede Woche ein fixes Angebot. Jeden Tag finden zwei bis drei Angebote statt. Gleichzeitig werden wir unseren Online-Auftritt weiter erweitern. Wir planen auch, den offenen Treff online einmal in der Woche via Videochat durchzuführen. Die Mädchen können sich via Link dazu schalten. Gerade bauen wir auch ein Extraangebot für Jugendliche auf, das es ab Mitte Juni geben wird. Es gibt im Kiez ja einen Bedarf für Jugendarbeit, der noch nicht gedeckt wurde. Wir haben dann auch eine Kollegin für den Jugendbereich.
de Haro: Für den Frauenbereich bieten wir weiterhin soziale Beratung mit Rechtsanfragen und Gesundheitsberatung per Telefon, Email und auch Video an. Vor Ort können wir zu zweit individuelle Beratungstermine anbieten. Die Gruppenangebote, wie beispielsweise die Deutschkurse der VHS, finden noch nicht statt. Außerdem werden meine Kollegin, die für die Gesundheitsberatung zuständig ist und ich als Ansprechperson für die psychosoziale Beratung und Rechtsangelegenheiten mobile Beratung im Kiez anbieten. Wir werden mit einem Stehtisch an verschiedenen Punkten im Kiez sein, z.B. vor dem Quartiersmanagementbüro oder vor Supermärkten, der Apotheke usw., um Frauen im Kiez niedrigschwellig zu begegnen und nach ihren Bedarfen zu fragen. Wir möchten mit den Frauen ins Gespräch kommen und wissen, welche Sorgen sie haben, was sie brauchen oder sich wünschen und wie wir sie dabei unterstützen können.

Die Fragen stellte Claudia Mattern

Interkultureller Mädchen- und Frauentreff
Auguste-Viktoria-Allee 17
13403 Berlin
Mädchentreff: Tel. 030 -413 18 90
Frauentreff F. de Haro: Tel. 030-417 00 391
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9:00 -19:00 Uhr
www.interkultureller-maedchentreff.de

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